von Melisa Aras, Katrin Bartmann, Ana Maria Kastell Campo, Marla Scherret, Johanna Weyersbach
Etliche Vertreter*innen aus Politik und Wirtschaft warnten immer wieder vor einer „Akademikerschwemme“. Jedoch zeigen aktuelle Analysen des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) eine entgegengesetzte Entwicklung: Die Studierendenzahlen gehen seit einigen Jahren kontinuierlich zurück. Dies hat zur Folge, dass der Wettbewerb um Studierende zwischen den Universitäten wieder an Intensität zugenommen hat. Damit stehen die Universitäten in Deutschland vor einer zentralen Herausforderung, die es jeweils anzugehen und erfolgreich zu bewältigen gilt. In diesem Blogbeitrag werfen wir einen Blick auf die Gründe hinter dem rückläufigen Trend in den Studierendenzahlen und diskutieren mögliche kommunikative Ansätze und Strategien, mittels diesen sich Universitäten im Wettbewerb um potenzielle Studierendenanfänger*innen behaupten können.

Gibt es bald keine Studierenden in Deutschland mehr?
Laut dem Bericht "CHECK - Entwicklung der Studienanfängerinnen in Deutschland, 2023" des Centrums für Hochschulentwicklung, der auf Daten des Statistischen Bundesamtes basiert, sinkt die Zahl der Studienanfänger*innen seit einigen Jahren kontinuierlich – von der Null sind sie aber noch weit entfernt. Vor etwa zehn Jahren, im Wintersemester 2011/12, erreichte die Zahl der Erstsemester ihren bisherigen Höchststand von 445.000. Dabei ist zu beachten, dass in diesen Jahren doppelte Abiturjahrgänge an den Schulen zu verzeichnen waren. Es ist somit naheliegend, dass dies erheblich zu dem geschilderten Höchststand in der Studierendenanfänger*innenzahl beigetragen haben dürfte. Lange Zeit stagnierten die Zahlen der Studierendenanfänger*innen auf diesem hohen Niveau, doch seit dem Wintersemester 2019/20 gehen die Werte deutlich zurück. 2021/22 lagen sie erstmals wieder unter 400.000 Personen – das sind rund zehn Prozent weniger als noch vor zehn Jahren.

Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig, wie u.a. die Recherchen von ZDFheute und ZEITCampus zeigen:
- Demografischer Wandel
- Der demografische Wandel ist wohl die Hauptursache für den Rückgang der Studierendenzahlen. Da die Geburtenzahlen zwischen 1990 und 2011 im Vergleich zu den Jahren davor stark zurückgegangen sind, gibt es schlichtweg sehr viel weniger junge Menschen, die ein Studium beginnen könnten.
- Corona-Pandemie und andere Krisen
- Krisen führen zu Unsicherheit, vor allem wenn es um die Zukunft geht. Die Coronapandemie hat das in aller Deutlichkeit gezeigt: Die Lehre an Hochschulen und Universitäten konnte im Sommersemester 2020 plötzlich nicht mehr in Präsenz stattfinden und niemand wusste, wann sich das ändert. Auch im Wintersemester 2021/22 fand die Lehre ausschließlich online statt. Solche Bedingungen schrecken junge Menschen eher davon ab, einen neuen Lebensabschnitt in einer neuen Stadt zu beginnen. Außerdem konnten internationale Studierende während dieser Zeit kein Auslandssemester in Deutschland verbringen.
- Alternative Bildungswege
- Ein weiterer, potenzieller Grund für den Studierendenschwund an Universitäten und Hochschulen: Die Zunahme an vielfältigen Bildungsoptionen. Neben den klassischen beruflichen Ausbildungen gibt es auch Online-Kurse, Traineeships und weitere alternative Wege.
- Mangelnde Sichtbarkeit
- Manche Universitäten und Hochschulen haben Schwierigkeiten, ihre Angebote und Stärken effektiv zu kommunizieren. Gerade im Anbetracht der sinkenden Studierendenzahlen wird in Zukunft ein attraktives Angebot und dessen strategische Kommunikation von noch höherer Relevanz sein, wenn sich Hochschulen in einem verschärften Konkurrenzkampf um Studierende behaupten und von anderen Wettbewerben abheben wollen. Denn wenn junge Menschen die Universität nicht kennen oder nicht wissen, welche Möglichkeiten und Vorteile sie bietet, entscheiden sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit für andere Optionen oder Hochschulen.
Hinsichtlich des demografischen Wandels, verschiedenen Krisen und anderen Bildungswegen sind Universitäten weitestgehend machtlos. Zur Gewinnung der Studierenden und für die Behauptung im Wettbewerb ist es für Hochschulen daher entscheidend, sich über ihre Leistungen und ihr Bildungsangebot zu profilieren und diese effektiv zu kommunizieren. Dabei ist eine gute, zielgerichtete strategische Kommunikation der Schlüssel für eine hohe Sichtbarkeit. Außerdem erhält eine Hochschule damit die Möglichkeit, gezielt Einfluss darauf zu nehmen, wie sie (vor allem von jungen Menschen) wahrgenommen wird.
Gibt es die eine, allgemeingültige Kommunikationsstrategie?
Klare Antwort: Nein. Eine allgemeingültige Kommunikationsstrategie für alle Universitäten und Hochschulen gibt es nicht. Sie muss individuell entwickelt werden, da sie von den jeweiligen definierten Zielgruppen, der gewünschten öffentlichen Wahrnehmung, dem Bildungsangebot, der Leistungen und weiteren Faktoren abhängig ist.
Mögliche Zielgruppen für Universitäten sind Bachelorabsolvent*innen, Berufstätige und Unternehmen - die wichtigste Zielgruppe sind und bleiben jedoch Abiturient*innen, die ihre Hochschulqualifizierung erst erhalten haben. Basierend auf den Merkmalen und Zielen dieser Persona werden dann Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Vergleicht man beispielsweise Berufstätige mit Bachelorabsolvent*innen so haben Letztere ihr erstes Studium bereits absolviert und sind eher auf der Suche nach einem Weiterbildungsangebot, wie einem Masterstudium. Berufstätige hingegen suchen in der Regel kein ganzes Bachelor- oder Masterstudium in Vollzeit, sondern eher kurzweilige Weiterbildungsangebote in Teilzeit, die sich in ihren Arbeits- und Familienalltag integrieren lassen. So müssen für jede Zielgruppe individuelle Schwerpunkte in Abhängigkeit ihrer Persona Merkmale und Ziele gesetzt werden.
Wie können konkrete Kommunikationsmaßnahmen aussehen?
Am Beispiel von Abiturient*innen, welche die wichtigste Zielgruppe für Universitäten und Hochschulen darstellen, lassen sich einige kommunikative Maßnahmen entwickeln. Ausgehend von einer Student Journey (analog zu einer Customer Journey) ist es bei dieser Zielgruppe von großer Relevanz, den Fokus auf die Awareness zu legen. Um diese zu steigern, ist es notwendig auch schon bei Schüler*innen der Mittelstufe (und niedriger) anzusetzen und sie in verschiedenen Formaten direkt anzusprechen. So kann das Wissen von der Universität auf nachhaltige Weise in den Köpfen der Schüler*innen wachsen und es wird wahrscheinlicher, dass sie die gesamte Student Journey durchlaufen.

Beispiele für konkrete Maßnahmen, um die Awareness in der Zielgruppe der Abiturient*innen zu erhöhen gibt es viele:
- Podcasts und Social Media Kanäle
- Die junge Generation ist „always on“ – Instagram und TikTok sind die beliebtesten Social Media Plattformen. Aber auch das Hören wird immer beliebter. Eigene Kanäle in diesen Netzwerken sind daher essenziell. Dabei ist auf zielgruppenspezifische Gestaltung und Inhalte zu achten! Es ist egal, was die Social Media Manager der Kanäle interessiert – es kommt auf die Interessen der Zielgruppe an.
- Influencer Marketing
- Mit den Social Media Kanälen geht das Influencer Marketing einher. Auch wenn dieses noch nicht im Standard-Repertoire der Kommunikationsmaßnahmen aufgenommen wurde, sollte es unbedingt in Betracht gezogen werden. Persönlichkeiten wie Daniel Jung, Mirko Drotschmann (MrWissen2Go) und Mai Thi Ngyuen-Kim (maiLab) haben Millionen von Abonnent*innen auf ihren Kanälen und sprechen vor allem Schüler mit ihren Inhalten an. Kooperationen in Form von Gastbeiträgen oder Abiturvorbereitungskurse in universitären Räumen können die Aufmerksamkeit enorm steigern.
- Partnerschaften mit Schulen
- Enge Kooperationen mit einzelnen Schulen können ebenfalls eine geeignete Maßnahme sein. Schüler*innen lernen die Universität so schon während der Schulzeit kennen und entscheiden sich so womöglich eher für sie. Kooperationen können z.B. in Form von Exkursionen an die Universität Gestalt annehmen. Auch können Repräsentanten der Hochschule oder Studierende selbst an der Schule über ihre Erfahrungen sprechen. Während diesen Besuchen könne außerdem Merchandise Artikel verteilt werden, die die Schüler*innen behalten dürfen.
- Kampagnen & Merchandise, Messeauftritte
- Hochschulen können Kampagnen planen, deren Botschaften auf Bussen & Bahnen, Flyern, Werbetafeln, Social Ads, usw. gelesen werden können. Hier liegt die Schwierigkeit dabei, Botschaften zu entwickeln, die die Zielgruppe ansprechen, pointiert sind und nicht im Werbedschungel untergehen. Merchandise kann z.B. auf Messeauftritten unterstützend wirken und die Botschaften weiterverbreiten.
- Tag der offenen Universität
- Der Tag der offenen Universität bzw. Hochschule bietet Abiturient*innen (aber auch anderen Zielgruppen) die Möglichkeit, die Institution in all ihren Facetten besser kennenzulernen. Angefangen bei den Fachbereichen und ihren Studiengängen bis hin zu Hochschulgruppen. Gerade im Sommer bieten sich diese Tage an: Bei schönem Wetter kann das Campus-Gefühl in vollem Umfang erlebt werden. Universitäten sollten darauf achten, besonders ihre Alleinstellungsmerkmale (bspw. besondere Studiengänge) hervorzuheben und allgemein die Gestaltung an den Bedürfnissen der Zielgruppe auszurichten.
Aus den hier dargestellten fünf Punkten geht klar hervor, dass in der Kommunikation der Universitäten ein großes Potenzial liegt, um sich im verschärften Wettbewerb in der Hochschullandschaft um potenzielle Studierende besser positionieren und sich gegenüber Konkurrenten erfolgreich behaupten zu können.